In Nedlitz bei Gommern wurde am Wochenende 8.7.2023 ein großer Jahrestag mit einem Dorffest gefeiert. Vor 1060 Jahren wurde das Dorf erstmalig in einer Urkunde von Kaiser Otto I. erwähnt. Der Ort wurde in dieser Urkunde an das Kloster "Unser lieben Frauen" in Magdeburg verschenkt. Seitdem ist viel in und um Nedlitz passiert. Die Nedlitzer Chronisten erforschen seit über 25 Jahren die Geschichte des Dorfes und der Umgebung und haben sie in 2 großen Büchern und mehreren Broschüren dokumentiert.
Zu diesem Jahrestag hatten sich die Nedlitzer Chronisten etwas ganz Besonderes ausgedacht: Die Geschichte in und um Nedlitz soll in einem Theaterstück erlebbar werden. Als die Chronisten in ihrem monatlichen Dezember-Treffen 2022 zum ersten Mal die Idee diskutierten, war die lustige erste Frage: "Was ziehen wir an?". Natürlich kamen danach die Inhalte zur Diskussion und die Rollen wurden verteilt. Seite Januar wurde monatlich geprobt. Alles sollte gut funktionieren. Höhepunkt dabei war die Generalprobe am Vorabend der Aufführung. Entspannung brachte so manche Flasche Sekt, die bei den Proben geleert wurde.
Am 2.7.2023 war die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt. Alle Besucher blickten gespannt zum Hohen Chor, der durch einen grünen Vorhang das, was passieren sollte, verbarg.
Pünktlich um 19 Uhr wurden sie von Margitt Weber im roten Kleid mit Federn auf dem Kopf als Verkörperung von "Frau Zeit" begrüßt. Die "Nedlitzer Zeitreise" begann. Als Leiterin der Veranstaltung übernahm Margitt zugleich die gesamte Moderation des Events und führte die Zuschauer so von Zeit zu Zeit - von Akteur zu Akteur.
Als erstes erschienen zwei Slawenfrauen in Bauerngewändern mit Körbchen am Arm, die vom Markt in Magdeburg kamen - dargestellt von Ursel Schiller und Magdalena Breitling. Sie waren froh, die Fahrt über die Elbe gut überstanden zu haben und erzählten vom Markttreiben in Magdeburg und den Plänen des Königs zu weiteren Kriegszügen ins Slawenland, um dort unter dem Mantel der "Christianisierung" ihr Machtgebiet zu erweitern. Davor hatte die beiden natürlich Angst und wollten es gleich Ihrem Dorfältesten erzählen.
Ein Dorfschulze um 1140 mit seiner typischen Mütze wurde Claus Bierhals übertragen. Er war mit dem Bau der Kirche beschäftigt und berichtete von der harten Arbeit der Dörfler beim Sammeln und Spalten der Steine. Aber auch vom Stolz, eine solche Kirche im Ort zu haben. Die Mauerarbeiten wurden von erfahrenen Bauleuten übernommen, die von den Prämostratenser-Mönchen in Magdeburg bezahlt wurden. Aber immer war der Dorfschulze schuld, wenn wieder etwas nicht funktionierte. Zum Schluss drohte er deshalb entnervt, sein Amt niederzulegen.
Den Ritter von Hoppekorf im roten Ornat mit Schwert und Schild, der für seine Untaten in der Holle schmorte und zur Mittagspause frei hatte, kam in die Hände von Dr. Peter Weber. Er herrschte von 1525 bis 1616 über Nedlitz und schimpfte auf seine faulen Bauern und den Pfaffen, der immer den Leitzkauern über seinen "Umgang" mit den Bauern und jungen Mädchen berichtete. Das brachte den Ritter jedesmal Probleme. Eine Racheversuch am Ortspfarrer ging für ihn dabei jedoch "nach hinten los".
Frau Spitznas im edlen blauen Gewand, die Retterin von Nedlitz nach dem 30-jährigen Krieg, wurde von Kerstin Rühmland dargestellt. Nach dem Krieg brachte sie mit einer Schäferei wieder neues Leben ins damals ausgebrannte und entvölkerte Dorf. Auch eine Brauerei wurde eingerichtet, um für die Dorfbewohner durch verdünntes Bier und den darin befindlichen Alkohol ein von Krankheitserregern befreites Getränk zu bieten. Sie ließ die ausgebrannte Kirche wirder aufbauen und spendete die Kanzel.
Schließlich brillierte Dr. Birgitt Fortmann im schwarzen Brokatkleid als Frau von Hake, die über Ihren fleißigen und hochgeachteten Ehemann berichtete. Herr Hake ließ die Gruft im Turm einbauen und ruht dort selbst als Mumie. Seine Doktorarbeit über römisches Recht war zu damaliger Zeit hochgefragt und wurde als Druck mehrmals aufgelegt. Damals waren noch kompetente Politiker an der Macht.
Auch Herr Hake selbst erschien mit Perücke und seiner Erklärung, warum er die Gruft anlegte und dort alleine als Mumie liegen wollte: Er wollte Ruhe haben vor seiner lieben Gattin. Herr Hake beschwert sich jedoch auch, dass seine Ruhe immer wieder durch neugierige Besucher gestört wird. Schuld daran sind diese Kirchenführer des Fördervereins.
Frau Hake verkaufte nach dem Tod ihres Mannes das Gut Nedlitz an den preußischen Staat, der sogleich einen Visitor bestellte, der in Nedlitz Ordnung und Disziplin herstellen sollte. Über die 20 Punkte der Verordnung berichtete Gertraute Müller in der Kleidung eines preußischen Amtmannes mit Spitzhut und Glöckchen in der Hand. Die Pflichten der Dörfler und des Schulzen wurden exakt beschrieben. Dazu gehörten auch das Abliefern von 15 Sperlingsköpfen pro Jahr und Dörfler (damals offensichtlich eine große Plage) und über den monatlichen Transfer der Steuergelder nach Magdeburg. Den Dorfbewohnern war unbedingter Gehorsam gegen dem Dorfschulzen anbefohlen.
Werner Mayer erschein als General Blücher, der 1814 den Abzug der französischen Truppen nach Magdebrug nach der Schlacht bei Möckern vom Kirchturm der Nedlitzer Kirche beobachtete.
Lehrer Püttker mit Rohrstock, dargestellt von Christian Rühmland, zeigte alte Filme, die er in Nedlitz vor und nach 1945 gedreht hatte. Zu sehen waren unter anderen Sport und Spiel der Schulkinder, ein Handballspiel auf dem alten Sportplatz, der Bahnhof Büden mit Dampflok, das Sammeln von Getreideähren aber auch die Verabschiedung der Soldaten, die auf Pferden in den Krieg zogen. Kommentiert wurden die Filme von Püttkes Assistenten Manfred Kuhnert.
Gekleidet als Bäuerin mit Spitzhacke und Gummistiefeln erschien Maritta Prosche und erzählte vom schwierigen Beginn des Lebens und der Landwirtschaft nach dem Krieg 1945. Besonders interessant waren die Ereignisse, die zur Aufteilung des Landes an über 40 Neubauern führten, die dann schließlich in den LPGs verschiedener Stufen "aufgegangen wurden".
Zum Schluss erschienen die Ortsbürgermeisterin Christine Becker und Stellvertreter Gunnar Hildebrandt und zogen den Hut vor dem, was die Nedlitzer in der Zwischenzeit geschaffen haben auf Ihrem Weg zum schönen Dorf und einer gelungenen Dorfgemeinschaft.
Die Zuschauer belohnten das ca. 90 Minuten dauernde Event mit langen Beifall und Hurra-Rufen. Ein gelungener Abend, der durch eine Schülergruppe des Gymnasiums Burg unter Leitung von Moritz Christiani als Video aufgezeichnet wurde und so der "Nachwelt" erhalten bleibt.
Begleitet wurde die Veranstaltung mit einer sehr interessanten Ausstellung von Landkarten von Nedlitz und Umgebung vom Mittelalter bis zur Gegenwart, die von Margitt Weber und Renate Radünzel vorbereitet und in der Kirche präsentiert wird. Interessante Zeitzeugen, die mehr Zeit für eine gründliche Betrachtung benötigen. Dazu werden die Nedlitzer Chronisten noch eine separate Veranstaltung organisieren müssen.
Weiter ging es mit dem Dorffest am Freitag, dem 7. Juli 2023 bis zum Sonntag, dem 9. Juli. Am Freitagabend ab 19 Uhr spielte die Band „Fertsch“ irische Musik und am Sonnabendabend gab es Tanz im Festzelt. Dazwischen gab es Spiel und Spaß rund um den Kirchplatz für Jung und Alt. Wieder ein ein gelungenes Dorffest!